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Im Lichte Jenas – Teil 2

Ameriana konzentrierte sich. Die Magierin wusste, dass ihr Gegner ihr nur wenig Zeit ließ, um zu reagieren. Der Zorai-Elementalist versetzte sich in Trance und stieg mit der Grazie eines Tänzers in die Lüfte. Er drehte sich um seine Achse und entspannte sich dann abrupt, um einen Zauberspruch zu sprechen. Die junge Matis spürte, wie eine Welle sie und ihren Geist überrollte. Ihr Spruch war gebrochen. Der Matis hatte die mystischen Kräfte der Seen herauf beschworen und einen Betäubungszauber aufgesagt. Ameriana war im Netz ihres Gegners gefangen, wie ein Schmetterling in einem Spinnennetz. Sie war ihm ausgeliefert! Eine panische Angst überkam sie.
Der Kamisten-Hexer bereitete sich darauf vor, den Blitz erneut herauf zu beschwören. Trotz ihrer Ohnmacht konnte die Magierin sich das teuflische Grinsen hinter der blassen Maske gut vorstellen.
Der Zorai hob die Arme. Plötzlich schrie er vor Schmerzen. Hinter ihm war eine Figur aufgetaucht, die zwei blutende Linien auf seinen Rücken gezeichnet und seine Konzentration gestört hatte. Er drehte sich um. Jemand rammte ihm Fyler-Dolche in die Rippen. Hinter dem unaufhörlichen Angriff der zwei Messer ließ sich das hämische Gesicht eines Trykers erahnen. Der Hexer versuchte die Elemente herauf zu beschwören, doch sein Gegner war zu schnell. Die wiederholten Schläge und der stechende Schmerz machten jegliche Beschwörung unmöglich.
Der Betäubungszauber ließ nach. Ameriana kam wieder zu sich und dankte Jena. Sie kanalisierte die Kräfte der Tiefe. Ein saures Geschoss flog auf den Zorai zu. Der Kamist versuchte auszuweichen, doch es war zu spät. Er ging unter den gleichzeitigen Attacken der Messer und der Magie zu Boden.
Der Tryker jonglierte geschickt mit seinen Messern.
Ich habe mir erlaubt, Ihren Kampf mit dem Gesichtslosen zu unterbrechen, geehrte
Dame. Ich hoffe, Sie verzeihen mir. Doch Sie schienen keine Argumente mehr zu haben.
Er lachte los. Ameriana spürte, wie sie rot anlief.
Ich finde das gar nicht lustig, antwortete sie trocken. Ich wäre fast dabei ums Leben gekommen!
Der Tod ist ja nur ein Übergang, eine schmerzliche Auszeit in der glorreichen Geschichte Ihres Schicksals! Und der Schoß der Göttin ist sehr gastfreundlich…
Die Magierin runzelte die Stirn. So eine Unverschämtheit! Sie wollte antworten, doch der Messerspieler zog los.
  • Wir können später weiter reden! Die Rohstoffabbauer brauchen unseren Schutz, sonst kommen die Baustellen nicht voran. Besuchen Sie mich ruhig nach Einbruch der Nacht im Lager – in allen Ehren versteht sich. Ich werde versuchen, Sie nicht so zu betäuben wie dieser verrückte Zorai!
    Daraufhin verschwand er hinter einer Düne. Ameriana suchte den Körper des Kamistenhexers mit den Augen, doch er war schon von seinen gottlosen Meistern zurückgerufen worden.
    Eine Gruppe Karavanier-Rohstoffabbauer auf der Suche nach Holz und Harz kam näher. Die Magierin ging auf sie zu, um ihnen ihre Hilfe anzubieten. Sie drehte sich noch mal um. Es zeugte nichts mehr von dem Kampf, in dem sie fast ihr Leben gelassen hatte.
    Sie kannte nicht einmal den Namen des Homins, der sie gerettet hatte.
  • Caugan der Fyler? Sein Zelt steht im Norden des Lagers, in der Nähe der Energiebarren.
    Ameriana bedankte sich beim Wächter und näherte sich den Jurten. Die Sterne leuchteten wie goldene Fäden auf schwarzer Brokatseide am Himmel. Es war kein Problem, den Namen des Trykers heraus zu finden. Sein Ruf als starker Kämpfer war ihm zuvor gekommen. Er war einer der ersten Karavaniere gewesen, die das Projekt der Jenatempel unterstützt hatten. Er war in die Dünen von Aelius gezogen und hatte seine Dolche in den Dienst der Göttin gestellt. Ameriana war davon überzeugt, dass ihre Begegnung mit dem Tryker kein Zufall war.
    Die Funken schwirrten wie Glühwürmchen über den Lagerfeuern. Hier und da diskutierten Homins, wärmten sich beim Feuer auf und tranken durstig Löwenzahnwein. Die meisten kamen aus den Wald- und Seengebieten, doch es waren auch Fyros darunter, Anhänger Jenas, die in ihren sonnenverbrannten Kostom-Rüstungen etwas plump aussahen. Sie schienen sich auf eine Expedition vorzubereiten. Es war eine ruhige Nacht, doch die Magierin wusste, dass der Schein trügen konnte.
    Der Zeltvorhang war zur Seite geschoben und man erkannte das Profil eines Trykers, der im Schneidersitz vor einem Feuerplatz saß. Er schien in einen gelben Bernsteinwürfel vertieft zu sein.
  • Kann ich herein kommen, Meister Caugan?
    Ameriana hatte auf einem anderen Ton geredet, an den sie nicht gewohnt war, wenn sie mit anderen Homins sprach, in deren Adern kein Matissap floss. Sie war sich bewusst, mit einer großen Persönlichkeit zu reden, der sie etwas schuldete.
  • Siehe da. Unsere junge Arkanenanhängerin! Ich hatte nicht mehr mit Ihnen gerechnet. Kommen Sir ruhig, ich bin zahmer als ein Gnoof!
    Die Magierin stockte. Dieser Caugan brachte es jedes Mal fertig, sie aus der Fassung zu bringen.
  • Ich bin schon lange kein Neuling mehr. Dieser Zorai hat mich überraschend angegriffen und ich hätte sehr gut…
  • Ich wollte Sie nicht beleidigen, Dame Ameriana aus den Grünen Anhöhen. Nehmen Sie Platz und trinken Sie etwas Seenbier mit mir. Mit ein bisschen Honig schmeckt er nicht so bitter.
    Caugan stand auf, verbeugte sich und bot Ameriana ein Stoffkissen an. Die zwei Homins setzten sich ans Feuer. Der Krieger nahm einen Krug und füllte zwei Becher mit einer blauen Flüssigkeit.
  • Dieses Bier wird von meinem Freund Naroy gebraut. Er hat eine Bar in Avendale. Es ist eines der besten Biere aus ganz Aeden Aqueous! Seine besondere Farbe stammt von einer geheimen Mischung aus Beeren und Algen.
    Die junge Matis trank vorsichtig aus dem Holzbecher.
  • Ich habe gerade einen Bernsteinwürfel gelesen, den der Intendant von Fairhaven mir überreicht hat, fuhr Caugan fort. Er beinhaltet interessante Informationen zur Herkunft unseres Geldes…
  • Ich wollte mich bei Ihnen für ihren Einsatz von heute Nachmittag bedanken. Ihre Hilfe kam wie gerufen.
    Ameriana sah dem Tryker tief in die Augen. Sie erwartete sich Gelächter, doch Caugan war kein vorhersehbarer Homin. Er faltete seine Hände vor sich und grüßte sie nach der Art der noblen Matis.
  • Es war der Wille der Göttin, dass unsere Wege sich kreuzten, geehrte Dame. Ich stehe ihr zur Verfügung, genau so wie Ihnen.
    Jetzt war es Ameriana, die lächelte. Sie beobachtete ihren Gastgeber genauer. Auf seiner Stirn hingen purpurfarbene Strähnen, die ihn kämpferisch aussehen ließen. Für einen Tryker hatte er kleine Augen. Sie waren grün. Seine fülligen Backen waren durch ein grünes und rotes Tattoo geziert. Es stellte einen kurvigen Pfad dar.
    So vergingen einige Minuten im Knistern des Feuers. Caugan entfachte die Glut erneut und nahm wieder das Wort.
  • Wir haben unser voriges Gespräch noch nicht beendet. Darf ich Ihnen eine indiskrete Frage stellen, Dame Ameriana. Haben Sie den Atem des Todes schon gespürt?
    Die Magierin senkte den Blick.
  • Jena wollte mich noch nicht bei sich haben.
    Ameriana schaute hoch, um sich dem Blick des Kriegers zu stellen.
  • …und deshalb bin ich sehr dankbar. Denn manchmal fürchte ich, nicht auf der Höhe zu sein und nicht aus der Dunkelheit zurück zu kehren, in die der Tod mich schickt.
    Caugan drehte nachdenklich seinen Becher in den Händen.
  • Es ist normal, dass Sie Angst vor dem Unbekannten haben. Doch Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Die Kraft Ihres Glaubens wird Sie zurück auf Atys bringen. Jeder verfügt über eine bestimmte Zeit bei der Göttin und Ihre ist noch nicht um. Davon bin ich überzeugt.
  • Ich wollte, ich wäre mir da so sicher wie Sie, antwortete Ameriana traurig. Ich habe heute einen Fyros besiegt. Einen Kamisten, einen Anhänger der Dämonen. Als ich ihn bekämpfte, fühlte ich mich beflügelt, so als schwimme ich im Lichte Jenas. Doch dieses Licht ist verschwunden. Ich fürchte mich vor der Zunkunft…
    Der Tryker leerte seinen Becher in einem Zug. Sein Gesicht war durch die Flammen erhellt und seine Augen leuchteten wie Sonnen.
  • Nur die Mächte kennen unsere Zukunft. Und die Vergangenheit ruht bei den Toten.
    Die Gegenwart liegt in unserer Hand. Sie gehört nur uns, vergessen Sie das nicht.
    Caugan lächelte und schmiss seinen Becher ins Feuer. Er forderte Ameriana auf, das gleiche zu tun.
  • So verschwinden Zweifel und dunkle Gedanken. Im Rachen eines von Hominhand gezähmten Raubtiers!
    Die Magierin lachte. Sie machte es wie der Tryker und im Feuer explodierten die Funken.
    Draußen schienen die Sterne noch heller zu leuchten als zuvor. Sie begrüßten die neue Freundschaft.

Fortsetzung folgt…

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